Am 30. Januar 2014, 91 Jahre nachdem Adolf Hitler als Kanzler im Deutschen Reich eingesetzt wurde, protestierten rund 8000 Menschen auf dem Universitätsplatz in Fulda gegen die Missachtung des Grundgesetzes und der Menschenwürde durch Rechtsextremisten und die Partei AFD. Die Rednerinnen und Redner prangerten die jüngst bekannt gewordenen Deportationspläne rechtsextremistischer Kreise in Deutschland an.
So rief Bürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld als erster Redner dazu auf, in der Stadtgesellschaft und im Landkreis solidarisch zu handeln, dazu mahne der 30. Januar. Er hob hervor, dass der Aufruf zur Demonstration von über 100 Organisationen unterschrieben worden sei: „Was wir nicht akzeptieren können, ist wenn der Kern unseres Grundgesetzes angegriffen wird, und das ist die Menschenwürde!“ Er plädierte für eine wache Zivilgesellschaft und sagte, „eine Spaltung unserer Gesellschaft lassen wir nicht zu“. Die Anwesenden rief er dazu auf, sich für eine demokratische Partei zu engagieren.
Landrat Bernd Woide sprach davon, in 18 Dienstjahren habe er noch nie vor einer so großen Versammlung gesprochen. Er erinnert daran, 75 Jahre werde das Grundgesetz nun alt und stünde auch hinter dieser Veranstaltung. Das sei der Unterschied zur Machtübernahme Hitlers damals. Das Grundgesetz könne nicht geändert werden, aber es brauche Verteidiger, wie heute, die für ein weltoffenes Fulda eintreten: „Wir sind die Mehrheit!“
Bischof Dr. Michael Gerber betonte kämpferisch, Zukunft gibt es nur im Miteinander oder es gebe keine Zukunft. Das müsse denjenigen gesagt werden, die einen anderen Weg anstrebten und erteilte eine Absage an alle politischen Konzepte, die Menschen ausschließen. Aus christlich-religiöser Perspektive unterstrich er: „Das Vaterunser kann ich nicht beten ohne die Perspektive
der Menschen zu hören, die in Sorgen und Nöten gefangen sind“. Es gelte, als Kirche präsent zu sein, und im Alltag und im persönlichen Gespräch wie im politischen Diskurs zu zeigen, „dass wir an der Seite diejenigen die Sorge haben“, so Gerber.
Für die evangelische Kirche formulierte der stellvertretende Dekan Marvin Lange, mit Schrecken sei fest zu stellen, „dass wir es mit einem aggressivem Rassismus und Antisemitismus zu tun haben“. „Wir erteilen dem eine Absage“ rief er in die Menge. „Alle, die das nicht einsehen nehmen sie mit nach Auschwitz und Buchenwald und zeigen ihnen, wohin das führt“. Er setzte den Anspruch der Kirchen dagegen: „Wir sehen jeden einzelnen unserer Mitmenschen in seiner Würde!“
Der Hochschulpräsident Dr. Karim Khakzar zeigte sich angesichts der vielen internationalen Studierenden und der internationalen Verbindungen des Bildungsbetriebes der Hochschule Fulda erleichtert über das deutliche Zeichen der Demonstration, gegen die Gefährdungen des Grundgesetzes und die Missachtung der Menschenwürde anzugehen. Die Gefährdung der Demokratie sei da, das zeige eine aktuelle Schuluntersuchung in Fulda, gerade bei den Jüngeren sei die Orientierung an autoritärem Denken weit verbreitet. Die Wissenschaft könne wichtige Gegenimpulse setzen und „das wichtigste Instrument heißt Bildung“. „Nie wieder ist jetzt“ bezog er sich auf das Motto der Protestversammlung. Jetzt müsse in Bildung investiert werden, jetzt Farbe bekannt werden.
Weitere Redner:innen folgten auf der zweieinhalbstündigen Veranstaltung, immer wieder lud folkig-rockige Musik dazwischen zur Bewegung am Winterabend ein und so entwickelte sich die Demonstration zu einer friedlichen und festlichen Versammlung, mit Rick Washington als Höhepunkt des musikalischen Programms.
Zum Schluss verwies der Impulsgeber der Veranstaltung, Andreas Goerke für die Initiative „Fulda stellt sich quer“, darauf, fast 10 000 Demokratinnen und Demokraten setzten ein deutliches Zeichen.
Er erinnerte beispielhaft die Ermordung des Fuldaer Paters Thaddäus Brunke 1942 in Dachau und verlas den Schwur der Befreiten von Buchenwald:
„Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“
Die Menschen in Deutschland hätten eine Erbschaft übernommen von ihren Großeltern und Eltern, die ein Land der Freiheit aufgebaut hätten. Den thüringischen Nachbarn rief er angesichts der in diesem Jahr bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen zu: „Keine Stimmen für die Faschisten, keine Stimmen für die AFD!“ Der heutige Tag zeige, dass in Deutschland Demokratie gelebt werde und „wir sind mehr!“ Es müsse gemeinsam um die Menschen gekämpft werden, die aus Enttäuschung über die Politik nicht mehr wählen gingen.
Texte der Protestplakate in Auswahl:
Bunt statt braun
Den rechten Haken parieren
Ekelh afd
Katzis kacken auf Nazis
Komma AFD – halts´ Maul
Kunterbunt ist besser als kackbraun
Lillifee statt AFD
Menschenrechte statt Recht Menschen
More smore less nazis
Nazi freie Parlamente sind alternative-los
Nehmt Alice das schnitzel weg
Steh auf, setz dich ein, sag Nein!
Vielfalt statt Einfalt
Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf
Und immer wieder: „Nie wieder ist jetzt!“
Dierk Glitzenhirn, Studierendenpfarrer der ESG-Fulda
(Die ESG-Fulda gehörte mit zu den Unterstützer:innen des Aufrufs zur Demonstration.)
Vgl. auch die Quellen:
https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
https://gedenkstaette-breitenau.de/biografien/biografie/brunke-wilhelm
https://www.buchenwald.de/geschichte/themen/dossiers/schwur-von-buchenwald